Customer Service operiert nach wie vor als Silo

Customer Service operiert nach wie vor als Silo

An der 20. CCW drehte sich alles um Bots, Künstliche Intelligenz und Automation. Die Praxis liefert allerdings ein anderes Bild: Das Telefon ist nach 20 Jahren immer noch das beliebteste Kontaktmedium bei den Kunden, dicht gefolgt von der E-Mail. Auch die Herausforderungen liegen in den Basics, beispielsweise in der Integration von schriftlichen Anfragen. Zudem operiert der Customer Service als Silo – interdisziplinäre Aktivitäten mit Marketing und Vertrieb im Sinne des Unternehmens als «Omni-Touchpoint» sind noch Zukunftsmusik.

Mit erfrischend neuen Themen präsentierte sich die 20. CCW, vormals CallCenterWorld. Der Europäische Kongress für innovativen Kundendialog fand von 26. Februar bis 1. März 2018 im Estrel Convention Center Berlin statt. Alles sprach von Bots, Künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und Automatisierung. Innovationen aus den Bereichen Voice, Biometrie und Augmented Reality waren ebenso zu sehen wie Bots, welche einfache Anfragen mittels neuronaler Netze selbst beantworten sollen. Klingt vielversprechend und visionär. Aber wie ist die Realität in den Unternehmen? Das wollte BSI herausfinden und führte wie jedes Jahr eine Umfrage unter den Fachbesuchern der CCW durch. Über 250 Kundenservice-Experten nahmen an der Umfrage teil.

Diskrepanz zwischen technischen Möglichkeiten und Unternehmensrealität

«Die Umfrage zeigt, dass nach wie vor Kundenanfragen von echten Mitarbeitern beantwortet werden, und zwar vorzugsweise am Telefon und per E-Mail», sagt Mathias Hassler, Community Manager für Contact Center bei BSI. Neue Kanäle wie Kundenportale, Apps, Chat, Social Media, Video kommen zwar hinzu, werden aber die beiden Kontakt-Lieblinge der Kunden – Telefon und E-Mail – nicht so schnell vom Thron stossen. «Wo Bot draufsteht, ist aktuell noch wenig Bot drin. Zumeist handelt es sich noch um Chat-Skripts, welche mit Maschinellem Lernen oder Neuronalen Netzten wenig gemein haben», so Mathias Hassler.

Dass teilweise die ganzheitliche Kundensicht fehlt, liegt daran, dass ein erheblicher Anteil der Kanäle nicht in einer zentralen Lösung integriert ist. Damit bleiben Unternehmen auf einem Auge blind. Vor allem die neuen Kontaktkanäle wie Facebook sind nach wie vor isoliert. Das kann gemäss Mathias Hassler damit in Verbindung stehen, dass die Social-Media-Anfragen oftmals nicht vom Customer Service Team, sondern beispielsweise im Marketing beantwortet werden. Erstaunlich: auch die schriftliche Kundenkommunikation wie der gute alte Brief und der Self Service laufen zu knapp einem Drittel isoliert ab. «Es sind noch viele Basisaufgaben zu erledigen, ehe die Bots das Ruder im Contact Center übernehmen können», sagt Mathias Hassler.

Social Media, Self Service und Chat legen zu

Kundenanfragen via Social Media, Kundenportal oder App sowie Web Chat haben bei den befragten Experten im letzten Jahr am stärksten zugenommen. Das E-Mail-Volumen stagniert auf sehr hohem Niveau, Video Chat bewegt sich seitwärts auf tiefem Niveau. «Kundenportale und Apps gewinnen an Bedeutung. Anwenderfreundlich umgesetzt, liefern sie den Kunden grosse Mehrwerte», erklärt Mathias Hassler. Interessante Optionen sieht der Contact-Center-Experte auch in Messaging, SMS und WhatsApp. Der Vorteil gegenüber Chat: Der Kunde verfügt über den gesamten Kommunikationsverlauf; er kann rund um die Uhr eine Anfrage absetzen und bekommt in den Servicezeiten eine Antwort. «Ein sehr natürliches Verhalten, das wir von unserer Kommunikation im Familien- und Freundeskreis kennen», so Mathias Hassler. Warum die persistenten Messenger-Dienste noch nicht im selben Umfang zunehmen wie Social Media und Self Service, erklärt sich Mathias Hassler so: «In vielen Contact Centern ist der Eingangskanal gleichzeitig der Ausgangskanal. Sie können den Kanal nicht wechseln, auch wenn beispielsweise ein Rückruf sinnvoller wäre als ein Kurznachrichten-Ping-Pong.»

Test auf digitale Tauglichkeit

Damit sind wir auch bei den Herausforderungen im Kundenservice angekommen: Das Umfrage-Ergebnis zeigt, dass die technische Einbindung der Kanäle und die uneinheitlichen Prozesse den Customer-Care-Leitern starke Kopfschmerzen bereiten. Wobei uneinheitliche Prozesse kein Phänomen der Digitalisierung sind. «Die Problematik, die sich aus heterogenen Prozessen ergibt, wird allerdings durch die Vielzahl an Kanälen multipliziert.» Obwohl es mittlerweile gute «Out of the Box»-Lösungen gibt, suchen die Umfrage-Teilnehmer an der CCW Lösungen zur technischen Einbindung. «Ich würde die fachlichen und organisatorischen Herausforderungen komplexer einstufen als die technischen Anforderungen, welche sich mit den heutigen Mitteln einfach und vergleichsweise schnell regeln lassen – im Gegensatz zu Change- und Prozessthemen, welche viel Aufmerksamkeit und Alignment seitens der Mitarbeiter und Führungskräfte erfordern.»

Digitalisierung bedeute nicht, bestehende Prozesse elektronisch zu verarbeiten, sondern Prozesse neu zu denken. Hier steht vielen Kundenservice-Teams eine spannende, aber auch zeitintensive Aufgabe bevor. Einerseits existieren in den meisten Unternehmen nach wie vor keine einheitlichen Prozesse über alle Kanäle: «Telefonische Anliegen werden anders bearbeitet als Social-Media- oder Chat-Anliegen. Die Neugestaltung und Vereinheitlichung bedarf viel Zeit und Geld – jeder einzelne Prozess muss überprüft und auf seine digitale Tauglichkeit getestet werden.»

Vom Silo zum «Omni-Touchpoint»

Besser informierte Mitarbeiter können eine bessere Kundenberatung bieten, was wiederum zu einer schnelleren und effizienteren Abwicklung führt, lautet das Resümee der befragten Contact-Center-Experten zu den wichtigsten Vorteilen einer Multichannel-Software. «Die Top 3 Vorzüge sind Kundenservice-bezogene Themen, während die weniger stark gewichteten Benefits wie Kundenloyalität oder höhere Verkaufschancen das gesamte Unternehmen betreffen. Es zeigt sich, dass Contact Center zwar Kunden auf vielen Kanälen, sprich Multichannel, bedienen können. Aber als Bereich werden Contact Center nach wie vor isoliert. Dabei hätten gerade sie das Zeug, den <Omni-Touchpoint>-Gedanken, also eine interdisziplinäre Gesamtvision der Kundenbeziehung, zu fördern. Gelingt es den Unternehmen, die Zäune durchlässiger zu gestalten, und die Kooperation zwischen Kundenservice, Marketing und Vertrieb aktiv zu unterstützen, können sie gemeinsam weit mehr als erreichen als Effizienzgewinne», so Mathias Hassler und fügt an: «Wir sind gespannt, wie sich die Contact Center weiterentwickeln und werden an der 21. CCW wieder nachfragen.»

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